Das Wichtigste in Kürze

Classified präsentiert mit dem Powershift-System eine Highend-Schaltnabe mit zwei internen Gängen und einer eigenen Kassette mit zwölf Ritzeln. Geschaltet wird mit einem Ring-Shifter der Schweizer Firma Zirbel. Per Funk wird das Signal an die Smart-Steckachse übertragen. Diese leitet das Signal an die Power-Nabe weiter, die mit einer kontaktlosen Energieübertragung schaltet. Aus den theoretisch 24 Gängen ergeben sich 16 unterschiedliche Übersetzungen mit einer Bandbreite von 530 Prozent. Der Funkschalter wird über eine USB-Schnittstelle geladen, die Smart-Achse enthält eine handelsübliche Knopfbatterie. Der Ring-Shifter soll laut Hersteller mit einer Akkuladung 10’000 Schaltvorgänge absolvieren können, während die Nabe die benötigte elektrische Energie für ihre Schaltvorgänge einfach selbst aus der Rotation des Hinterrads abzweigt.

Erster Eindruck

Das Powershift-System ist als Bausatz (Schalter, Achse, Nabe, Kassette) erhältlich oder als Komplettradsatz mit Karbonfelgen. Dieser wurde für den Test in einem Yeti SB120 verbaut. Denn der belgische Hersteller gibt das System nur für den Cross-Country- und Trail-Einsatz frei. Die Laufräder wie auch alle anderen Parts wirken sehr hochwertig verarbeitet. Das Komplettsystem hat ein Gesamtgewicht von 1898 Gramm. Somit ist es leicht schwerer als ein klassischer Antrieb mit Karbonlaufrädern. Gemäss Classified funktioniert Powershift mit 12-fach-Antrieben von Shimano und Sram. Die beste Schaltperformance soll mit einer Sram-Eagle-Kette erreicht werden.

Im Einsatz

Der Umbau auf das Powershift-System gelingt dank einer guten Anleitung auf dem Classified-Youtube-Kanal schnell und einfach. Der Ring-Shifter wird zwischen Griff und Bremshebel montiert. Beim Wechsel des Radsatzes muss die mitgelieferte Smart-Steckachse verbaut werden. Dem Set liegen mehrere Distanzringe und verschiedene Gewindeaufsätze für die Achse bei. Das passende Gewinde wird mit der mitgelieferten Lehre definiert. Wo Shimano und Sram Indikatoren oder Werkzeuge zur Feineinstellung des Schaltwerks mitliefern, steht man hier allein auf weiter Flur. Es gibt keine Referenz für die korrekte Justage des Wechslers. Idealerweise wird dies einem Fachhändler überlassen. Denn die passende Kabelspannung und Position der B-Schraube am Schaltwerk zu finden, ist zeitraubend.

Ist das Setup vollbracht, kommt die nächste Hürde. Wie war das damals? Wann wurde auf das zweite Kettenblatt geschaltet? Die gleiche Frage stellt sich mit dieser Nabenschaltung. Es braucht eine Weile, bis man die Gewohnheit des Schaltens mit nur einem Hebel abgelegt hat. Nach wenigen Ausfahrten verläuft der 2-fach-Betrieb intuitiv. In moderatem Gelände schaltet das System schnell und zuverlässig. Die Nabenschaltung wechselt den Gang theoretisch sehr schnell. Die Realität sieht etwas anders aus. Nach einer gewissen Inaktivität muss der Schaltring zweimal betätigt werden: Der erste Impuls holt ihn aus dem Schlafmodus, der zweite sendet das Funksignal. Das macht den schnellen Gangwechsel oft «langsam».
 
Die Classified-Kassette mit 11 bis 40 Zähnen hat gut mit dem Shimano-SLX-Schaltwerk funktioniert. In moderatem Gelände verlief der Gangwechsel nach unten sehr schnell, hochschalten dauert minim länger als gewohnt. Geschieht der Schaltvorgang in einer sehr steilen Rampe und unter Volllast, knarzt es ordentlich. Da ist es sinnvoll, vorausschauend zu schalten und den Gangwechsel mit der Nabenschaltung vorzunehmen. Auch die schaltet unter Last nicht geräuschlos wie sonst, aber nicht so brutal wie die Kassette. Betrachtet man die Ritzel aus der Nähe, zeigt sich, dass ihre Form um einiges kantiger und einfacher gestaltet ist als die der beiden grossen Schaltgruppen-Hersteller. Da fehlt es vermutlich noch etwas am «Feinschliff».

Ein ganz grosser Vorteil des Powershift-Systems ist die enge Abstufung der Gänge. Die Sprünge sind klein und es kann stets die gewünschte Kadenz gefahren werden. Das schont das eine oder andere anfällige Knie. In Kombination mit einem 30er-Kettenblatt können Steilhänge gemeistert werden, wo bisher schieben angesagt war. Die zwei kleinsten Ritzel der Kassette kommen nur dann zum Einsatz, wenn es gilt, eine Asphaltstrasse mit ordentlich Gefälle runterzutreten. Im Gelände bleiben sie ungenutzt. 

Der «M25/30 Carbon»- Radsatz fährt sich sehr angenehm. Er hat den richtigen Mix von Steifigkeit und Flex. Abgesehen von ein paar Kratzern hat er den Testzeitraum ohne Mängel überstanden. Mehr Spuren zeigt die Kassette. Kommt das Bike frisch gewaschen in einen kühlen und leicht feuchten Keller, sind bereits nach zwei Tagen Rostspuren auf den Ritzeln sichtbar.

Fazit

Wer sich einen Antrieb mit engen Gangsprüngen wünscht oder oft steile Alpintrails fährt, wird mit dem Classified-Powershift-System zufrieden sein. Vielfahrer,die das Simple des 1-fach-Antriebs mögen, werden wenig begeistert sein, wieder ständig zu überlegen, welcher Gang passt. Das Problem mit dem doppelten Betätigen des Shifters zur Auslösung der Schaltung, ist störend und wird hoffentlich vom Hersteller behoben. Gemäss Classified ist dieses Problem ein Einzelfall, die Abklärungen sind am Laufen. Der Shifter hat einen Schlafmodus, um Akku zu sparen. Der sollte aber erst aktiviert werden, wenn die Nabe zehn Minuten lang keine Rotation hat. 

Empfehlung

Die Technik an sich ist revolutionär, aber noch nicht ganz ausgereift. Wenn es Classified in Zukunft hinkriegt, dass ihr Antrieb mit einem einzigen Schalthebel die Nabe und auch ein elektronisches Schaltwerk synchronisiert ansteuert, wird es ein Game Changer!

Preis: CHF 2992.00

Hersteller

www.classified-cycling.cc