WaldSchweiz will Geld für Trails – Was steckt dahinter? | Ride MTB

WaldSchweiz will Geld für Trails – Was steckt dahinter?

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Der Vorschlag hat Sprengkraft: WaldSchweiz, der Verband der Schweizer Waldbesitzer, will, dass grundsätzlich eine Entschädigung bezahlt wird, wenn Mountainbikern Trails zur Verfügung gestellt werden, in Wäldern, die nicht dem Staat gehören. Die Vertreterinnen der Mountainbike Community reagieren vor allem mit höflichen Worten.

1 – 2 Franken pro Laufmeter und Jahr. Das ist der Ausgangswert, den WaldSchweiz vorschlägt, um Waldbesitzer dafür zu entschädigen, dass Mountainbikerinnen auf ihrem Boden Wege befahren dürfen. Das Modell erinnert an die Zahlungen, die Grundeigentümer in Skigebieten erhalten, damit ihr Boden im Winter als Piste genutzt werden darf. Wobei dort schon ein grundlegender Unterschied besteht: Skipisten werden in aller Regel kommerziell betrieben. Die umstrittenen Biketrails in der Schweiz dienen in aller Regel der Naherholung und nicht der touristischen Wertschöpfung.
 
Nun hängt WaldSchweiz als Wortführerin also ein Preisschild in den Wald. 1 Kilometer Trail kostet 1000 bis 2000 Franken pro Jahr. Dies sei der Grundbeitrag an die Waldeigentümerschaft, präzisiert das Positionspapier «Biken im Wald» des Verbands. Mehraufwand und Minderertrag durch Biketrails seien dazu zu addieren. Die totale Entschädigung liegt also noch höher.
 
Doch wie kommt der Grundbeitrag zustande? Dominik Brantschen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Verbands und hat das Papier mitverfasst. Die arithmetische Herleitung der Entschädigungshöhe liefert er auch auf Nachfrage nicht. Er führt hingegen den «generierten Erholungswert» an, der für jene entstehe, die Mountainbike-Pisten oder Singletrails im Wald nutzen. Wie sich dieser errechnet, lässt sich mit viel Fleiss aus einer Publikation des Bundesamts für Umwelt herausdestillieren. «Wert der Erholung im Schweizer Wald» heisst das Werk, es umfasst 46 Seiten und beziffert den gesamten Erholungswert des Schweizer Walds auf 3 Milliarden Franken pro Jahr.
 
Brantschen führt aus, dass die vorgeschlagene Entschädigung nur ein Bruchteil des Erholungswerts betrage. In der Medienmitteilung von WaldSchweiz heisst es dazu, der 3,5 Kilometer lange Antennentrail in Zürich generiere mit jährlich 60’000 Abfahrten Erholung im Wert von mehreren hunderttausend Franken pro Jahr. Der Erholungswert ist eine Ausgangsgrösse für die Errechnung der Abgeltung für die Waldbesitzer. Brantschen erklärt: «Je stärker frequentiert und dementsprechend höher der Erholungswert ist, je gezielter die Infrastruktur für Bikende ausgelegt ist und je grösser der Einfluss auf den Waldboden mit Erdbewegungen, Bauten und so weiter, desto höher soll die Entschädigung ausfallen.»

Gemeint sind vor allem neu gebaute Bike-Pisten

Immerhin fordert WaldSchweiz die Abgeltung nicht für jeden Meter Waldweg, der von Mountainbikern befahren wird. «Der Fokus liegt klar auf neu gebauten oder neu legalisierten MTB-Trails und MTB-Pisten, gemäss Definition im Merkblatt», präzisiert Brantschen, «MTB-Weginfrastruktur, die eine Bewilligung der Behörden benötigt und waldrechtlich als Nicht-forstliche Kleinanlage zählt.» Bei bestehenden Wegen sei der Mehraufwand und Minderertrag bei intensiver Nutzung zu betrachten, so Brantschen weiter.
 
Bei Neubauten sind bereits jetzt Entschädigungen gang und gäbe, wobei es weder feste Verfahren noch Beträge für die Abgeltung gibt. Es ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass Private, Korporationen und andere nicht staatliche Waldeigentümer Geld dafür erhalten, die ihren Boden für Biketrails zur Verfügung stellen. Es fragt sich dann eher, ob nur die Waldnutzung mit Mountainbikes entschädigt werden soll. Das Positionspapier von WaldSchweiz trägt den Titel «Biken im Wald». Andere Nutzungen kommen nicht zur Sprache. Dominik Brantschen erklärt, dass gebaute Bike-Pisten im Wald nach Ansicht von WaldSchweiz über das gesetzliche Betretungsrecht hinaus gehen. Zufussgehen liegt logischerweise innerhalb des Betretungsrechts. Wo genau dieses endet, bleibt ungeklärt. Es müsse aber durchaus auch über die Erholungsnutzung im Allgemeinen diskutiert werden, erklärt Brantschen.
 
Was bewirkt nun dieses Preisschild, das WaldSchweiz im Schweizer Wald eingeschlagen hat? Werden Trail-Projekte damit unbezahlbar? Oder sind Bike-Strecken nun plötzlich ein einträgliches Geschäft? Und wie stellen sich jene zum Vorschlag der Waldeigentümer, die die Mountainbike-Gemeinde vertreten?

Die Reaktion der MTB-Organisationen und Trailbaufirmen

Die Reaktionen sind überaus besonnen. Natürlich ist allen Vertreterinnen der Mountainbiker klar, dass sie diesen keinen Gefallen tun, wenn sie das Positionspapier von WaldSchweiz in der Luft zerreissen. Zuerst sehen sie das Positive. SchweizMobil schreibt auf Anfrage von Ride: «In erster Linie sehen wir die Positionierung von Wald Schweiz als Angebot für einen konstruktiven Dialog auf lokaler und regionaler Ebene.» 
 
Die Imba Schweiz antwortet gemeinsam mit Swiss Cycling. Sie begrüssen, dass WaldSchweiz das Bedürfnis von Mountainbikern anerkenne, dass das Befahren von signalisierten Wegen grundsätzlich möglich sei, die Waldeigentümerinnen ermutigt würden, offen für Lenkungsmassnahmen zu sein und dass selbst die Legalisierung nicht offizieller Trails in Betracht gezogen werde. Kritik üben die beiden Organisationen am Fokus auf Mountainbiker. «Der Nutzungsdruck auf Feld und Wald entsteht durch die Gesamtheit aller Freizeitaktivitäten, sei es durch Fussgängerinnen, Reiter, Pilzsammlerinnen, Jäger oder eben Mountainbikerinnen und Mountainbiker. Daher plädieren wir für eine umfassende Betrachtung der Natur als Ort für Sport und Abenteuer.» 
 
Die Trailbaufirmen haben die Anfrage von Ride mehrheitlich nicht beantwortet – oder mitgeteilt, nicht die Kapazität zu haben, sich genügend tief damit auseinanderzusetzen. Klar ist: Jene, die Mountainbike-Pisten bauen, haben wenig Interesse daran, sich in dieser politischen Frage zu positionieren. Einzig Dave Tschumi von Vast Trails nimmt Stellung. Nachdem er in etwa die gleichen positiven Punkte angeführt hat wie die Obgenannten, schreibt er: «Teilweise sind Formulierungen sehr einseitig und polarisierend. So auch die Forderung nach jährlicher finanzieller Entschädigung. Eine solche ist aus unserer Sicht nicht die einzige Lösung, kann man doch auch nicht-monetäre Gegenleistungen vereinbaren (z.B. Waldpflege, Ausgleichs- und Kompensationsmassnahmen, Wegerechte im Gegenzug etc.)» Tschumi erinnert zudem daran, dass die Entschädigungen in der vorgeschlagenen Höhe einen Bruchteil der Bau- und Unterhaltskosten ausmachen. Bei bestehenden Wegen könnte das anders aussehen.

Was die Forderung von WaldSchweiz bewirkt

Bleibt die Frage, welche Wirkung das Positionspapier von WaldSchweiz haben wird. Bezeichnend ist, dass es auch als «Merkblatt für Waldeigentümer» angeschrieben ist, also als direkte Anleitung, wie diese in Verhandlungen argumentieren können. Bindend sei der Vorschlag aber nicht, räumt Brantschen ein. Es sei Sache der Mitglieder von WaldSchweiz, zu entscheiden, in welcher Höhe sie eine Entschädigung fordern oder auch darauf zu verzichten.
 
Das Positionspapier-Merkblatt von WaldSchweiz hat gewisse Leute aufgeschreckt, das ist als Begleitgeräusch der offiziellen Reaktionen zu vernehmen. Ein Gamechanger ist die Publikation jedoch nicht. Ein Teil der Waldeigentümer lässt sich bereits für das Zurverfügungstellen von Boden entschädigen. Andere tun das nicht und müssen es auch nach der offiziellen Forderung von WaldSchweiz nicht tun.
 


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