Geheimer Gesetzes-Entwurf lässt Deutschlands Mountainbiker erzittern | Ride MTB

Geheimer Gesetzes-Entwurf lässt Deutschlands Mountainbiker erzittern

Iseler-Umrundung (Allgäu)

Ist in Deutschland bald ein allgemeines Mountainbike-Verbot wie in Österreich möglich? Zumindest würde dies der kürzlich geleakte Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes erlauben. Während sich lokal in Deutschland viel zum Guten bewegt, deutet das Papier in eine unschöne Richtung. Die Interessensvertreter der deutschen Mountainbiker sind gefordert.

Es herrscht Alarmstimmung in der deutschen Mountainbike-Community. Der Grund: Ein «Referenten-Entwurf» des neuen Bundeswaldgesetzes ist geleakt geworden, der nichts Gutes für die Zukunft des Mountainbikens in Deutschland verheisst.

Heiko Mittelstädt, der unter anderem für die politische Arbeit bei der Deutschen Initiative Mountainbike DIMB verantwortlich ist, hat alle Hände voll zu tun. Der Entwurf hat auch ihn überrascht. «Wir sind Teil der seit etwa 2015 aufgekommenen Diskussion, haben Stellungnahmen abgegeben und an Konferenzen teilgenommen. Wir haben darauf gewartet, dass Ende 2024 der nächste offizielle Schritt des parlamentarischen Verfahrens stattfindet: die Verbandsanhörung», beschreibt er den Prozess. «Und dann kommt plötzlich das!»

Wer den unfertigen Entwurf aus welchen Gründen veröffentlich hat, ist Spekulation. Sicher ist, der Widerstand der Forstwirtschaft und der Waldbesitzer ist laut, dies wegen zusätzlicher Einschränkungen durch den Naturschutz. Es war auch eine forstwirtschaftliche Website, auf der das Dokument aufgetaucht ist. «Möglich ist, dass die weitreichende Ablehnung des Entwurfs durch die Waldbesitzer, auch breiteren Widerstand gegen das Gesetz in dieser Form hervorruft», erklärt Mittelstädt, «denn es geht auch um das Thema Betretungsrecht und es können plötzlich alle Waldbesucher persönlich betroffen sein.»

Bundesländer erhalten die Lizenz zum Verbieten

«Der aktuelle Entwurf enthält drei Hauptpunkte, die nicht gut sind für die Waldbesucher in Deutschland», holt Mittelstädt aus. Diese sind: Die Formulierung, dass nur auf «geeigneten Wegen» Fahrrad gefahren werden darf. Das klingt für Schweizerinnen bekannt, aber dazu später. Ein weiterer unguter Faktor ist, dass die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, das Radfahren pauschal auf dafür ausgewiesene Wege zu beschränken ohne dass «wichtige Gründe» dafür angeführt werden müssen wie das im aktuell gültigen Gesetz für das Erlassen von Befahrungsbeschränkungen noch notwendig ist. Und schliesslich gibt es den «Komoot-Paragrafen». Dieser besagt, dass es verboten sei, neue Wege digital zu markieren und auszuweisen. Letzteres müssten alle Waldbesucher beachten, ob mit oder ohne Rad.

Zum ersten Punkt: «Keine geeigneten Wege sind Feinerschliessungslinien, wie Rückegassen, Zugänge zu forstlichen und jagdlichen Infrastrukturen, Wildwechsel und Pirschpfade» steht im Gesetzesentwurf. Mittelstadt fragt rhetorisch: «Heisst das, eine Forststrasse, an der sich ein Hochsitz befindet, darf nicht befahren werden? Was gilt, wenn ein Jäger sagt, ein bestimmter Weg sei sein Pirschpfad?» Wie so oft werfen vermeintlich objektive Definitionen in der Praxis mehr Fragen auf, als dass sie die Situation klären. «Zum Rechtsfrieden werden solche Formulierungen nicht beitragen», ist er überzeugt.

Sehr bedenklich ist laut Mittelstädt, dass die Bundesländer jetzt deutlich einfacher restriktive Regelungen erlassen könnten als bisher, denn es muss für die Beschränkung kein «wichtiger Grund» mehr vorliegen. «Im Extremfall führt das zu einer Lösung wie in Österreich, dass Radfahren im Wald verboten ist, ausser auf einzelnen dafür ausgewiesenen Wegen.» So weit werde es hoffentlich nicht kommen. Trotzdem sei die weitreichende «Länderermächtigung» eine Gefahr für den Sport und widerspreche dem ursprünglich formulierten Gedanken, in allen Bundesländern eine einheitliche Regelung herbeizuführen.

Der Komoot-Paragraf

Der §33, der aktuell als Komoot-Paragraf die Runde macht,  scheint in offensichtlicher Unkenntnis der Materie formuliert, und schaffe mehr Probleme, als er löse, urteilt Mittelstädt. «Die Intention ist erkennbar, aber so wie es formuliert ist, kann tatsächlich jeder sehr schnell gegen das Gesetz verstossen, schon wenn er zu Fuss mit einer GPS-Uhr durch den Wald streift, was in Deutschland auch abseits von Wegen erlaubt ist. Wer solche Tracking Daten, oder nur schon ein Foto veröffentlicht, in dessen Meta-Daten die Position enthalten ist, an der es gemacht wurde, fällt unter den Verbotstatbestand.»

Zu befürchten sei, dass solche Regeln längerfristig auch international übertragen werden können, gibt Mittelstädt zu bedenken. Anders ergebe das ja auch keinen Sinn, wenn man wisse, wie Plattformen wie Open Street Map oder Komoot funktionieren. Soll heissen: Was nützt ein solcher Artikel, wenn es in der Schweiz nicht verboten ist, inoffizielle Trails in Deutschland auf einer Online-Plattform zu veröffentlichen?

Der Kampf ist eher hinter den Kulissen zu gewinnen

Was unternimmt die DIMB nun, um das Gesetz in dieser Form zu verhindern? Darüber will Mittelstädt vorerst nicht viel sagen. Der kursierende Entwurf ist zwar wahrscheinlich tatsächlich die aktuelle Version des Gesetzes, bestätigen wolle dies das zuständige Ministerium aber nicht. «Wir sind mit unseren Partnerverbänden im Austausch, wie wir mit dem Entwurf umgehen. Der Vorgang der vorzeitigen Veröffentlichung wirft leider kein gutes Licht auf den derzeitigen politischen Umgang. Wir hätten uns gewünscht, dass von allen Beteiligten die Spielregeln eingehalten werden und hoffen auf einen deutlich besseren ersten offiziellen Entwurf.»

Hoffen, dass restriktive Regeln gegen das Radfahren in einem neuen Entwurf fehlen, reicht natürlich nicht. Auf Heiko Mittelstädt und die DIMB kommt eine Menge knifflige Lobby-Arbeit zu, «die jeder gerne mit einer Mitgliedschaft in der DIMB unterstützen kann» fügt dieser an.


Weitere News zu diesem Artikel