Zürcher Biker zwischen Aufbruch und Angst vor der Retourkutsche | Ride MTB

Zürcher Biker zwischen Aufbruch und Angst vor der Retourkutsche

Das Urteil des Bezirksgerichts Affoltern am Albis ist für den ganzen Kanton Zürich von grosser Bedeutung, je nach kantonalen Regelungen auch darüber hinaus. Doch die engagierten Biker aus verschiedenen Zürcher Regionen wissen noch nicht so recht, was sie aus dem wegweisenden Entscheid machen sollen. Das zeigt sich am Treffen der Trail Friends, wo Vertreter von Bike-Gruppen im ganzen Kanton von ihren Fortschritten berichtet haben.

«Wir sind nicht sehr erfolgreich», beginnt Hans-Peter Kienast die Vorstellung der Organisation Trail Friends, die er seit einigen Jahren präsidiert. Dieser bezweckt das Biken im Kanton Zürich zu fördern, die Infrastruktur zu verbessern und langfristig zu sichern. Mit nicht erfolgreich meint Kienast, dass die Trail Friends ihrem Ziel nur sehr langsam näherkommen. Immerhin übertrifft die Besucherzahl des von ihm regelmässig organisierten Treffens dieses Mal seine Erwartungen stark. Er habe mit 20 Leuten gerechnet und dass man zusammen um einen grossen Tisch sitzen könne. Tatsächlich sind über 50 Leute aus diversen Regionen im Saal in Zürich.

«Heute können wir ausnahmsweise Leute präsentieren, die Erfolg haben», nimmt Tom Meister alias Combo von der IG Biketrails in Winterthur den Faden auf. Ein Grund, weshalb so viele an das Treffen gekommen sind, ist der Erfolg vor Gericht, den Alec Wohlgroth und Matthias Lüscher errungen haben. Aber Alecs Auftritt kommt erst später. Davor erzählt der ehemalige Bike-OL-Weltmeister Simon Brändli, dass er zum Trainieren meistens ins Ausland habe fahren müssen. Immerhin hat er es geschafft, in der Schweiz mehrere Bike-OL-Wettkämpfe durchzuführen. Die Orientierungsbiker bleiben anders als ihre laufenden Kollegen immer auf den Wegen. Nächster Erfolgsbote ist Cyrill Rüttimann vom MTB Club Oberamt, der Gegend zwischen Albis und Zug. Sie haben es innert zwei Jahren geschafft, von einem Bauern ein Stück Land für eine kurze Serie Anlieger zu erhalten, von der Gemeinde eine Wiese für einen Skill Center und die Erlaubnis auf dem Vita-Parcours zu biken.

Dann weist Überraschungsgast Andy Stalder, MTB Luzern und Imba Schweiz, darauf hin, dass das Luzerner Projekt im Bireggwald einen Schritt weiter sei und es nun nur noch an MTB Luzern liege, die angebotene Verantwortung zu übernehmen. Und die Kleinigkeit von 220'000 Franken für den Bau aufzutreiben, während die Gemeinde Horw 120'000 Franken an den Trailbau beisteuert und sich die Stadt Luzern mit 12'000 Franken an den Projektkosten beteiligt.

Wie wird aus dem Urteil gängige Praxis?

Darauf tritt der Star des Abends nach vorn: Alec Wohlgroth ist das Gesicht des Rechtsstreits, der zum wohl wichtigsten Urteil für den Bikesport im Kanton Zürich und vielleicht auch darüber hinaus geführt hat. Seine Geschichte braucht er nicht mehr zu erzählen, alle kennen sie aus Zeitungen, Radio und Fernsehen. Seine wichtigste Botschaft an diesem Abend: «Jetzt müssen wir Biker zeigen, dass wir die Wege mit Respekt und Rücksicht teilen.»

In der Folge zeigt sich, dass die versammelten Biker aus diversen Ecken des Kantons Zürich zwar glücklich sind ob des Urteils, aber nicht recht wissen, was sie daraus machen sollen. Einige fordern, dass man nachlegen müsse, um das Urteil nun im ganzen Kanton zur geltenden Praxis zu machen. Andere äussern Bedenken, dass eine Retourkutsche kommen könnte, zum Beispiel in Form zahlreicher Fahrverbote. Zudem sprechen einige der Anwesenden davon, dass sie nun viel mehr Singletrails, viel mehr Infrastruktur zur Verfügung hätten, während andere keinen grossen Unterschied zur Situation vor dem Urteil sehen. Sie waren schon immer überzeugt, dass sie das Recht haben, die Singletrails zu fahren und taten dies auch. Das gilt beispielsweise für den Uetliberg. Seit den Neunzigern sind Mountainbiker auf den schmalen, auf der Landestopografiekarte eingezeichneten Wegen unterwegs. Bussen gab es dafür selten. Immerhin, die Gemeinde Hausen am Albis hat schon aufgrund des Entscheids der ersten Instanz das Recht bestätigt, auf den schmalen Wegen des Huserholz Velo zu fahren.

Welche Auswirkungen das Urteil auf das Zürcher Oberland hat, auf Winterthur, das Glatttal, das rechte und das linke Zürichseeufer oder das Säuliamt, das ist die grosse Frage. Eine koordinierte Aktion der Zürcher Trail-Lobby-Organisationen wurde an dem Abend zwar in den Raum gesetllt, aber nicht konkretisiert. In Zürich ist ausserdem eine schriftliche Anfrage an den Stadtrat hängig, eingereicht als Reaktion auf den Entscheid der ersten Instanz, als das Fahrverbot auf Wegen mit Treppen und solchen, die nicht auf Swiss Topo zu finden sind, noch gestützt worden war. Das Spiel kann in beide Richtungen kippen, weitere klärende Schritte werden folgen. Auch deshalb empfehlen Hans-Peter Kienast, Tom Combo und Alec Wohlgroth unisono: «Jetzt erstmal geniessen!»