«Flow Trails sind nicht hässlich. Die meisten sind ein Kompromiss.» | Ride MTB

«Flow Trails sind nicht hässlich. Die meisten sind ein Kompromiss.»

Flow Trail Glarus

Flow Trails sind hässlich, schrieb Ride-Redaktor Stefan Michel im Editorial der ersten Ausgabe 2021. Die Kernaussage: Während alte Fusswege mit dem Gelände verschmelzen, dominieren gebaute Bike-Strecken in aufdringlicher Weise die Szenerie. Trailbauer Ueli Guntli lässt dieses Pauschalurteil nicht gelten.

Hier die Replik von Ueli Guntli:

«Was soll denn das nun wieder, fragte ich mich, als ich die Überschrift von Stefans Editorial gelesen hatte. Ich fühlte mich als Trailbauer frontal angegriffen. Nachdem ich den Text gelesen hatte wurde mir eines klar. Was Stefan als schön empfindet, nämlich der Trail, der wie ein jahrzehntealter Fussweg dem Relief folgt, gefällt auch mir am besten. Die Bikestrecke, die sich in einen engen Korridor gequetscht, entlang einer Skipiste oder Forststrasse windet, macht auch mich nicht glücklich. Doch manchmal geht es nicht anders.

Liegt ein erster Entwurf einer Linienführung vor, dann hat hier ein Grundeigentümer einen Einwand, dort ist eine Naturschutzorganisation nicht einverstanden, die Wildhut will gewisse Gebiete nicht tangiert sehen und so weiter und so fort. Übrig bleibt ein Korridor, der oft das interessanteste Gelände auslässt. Im ungünstigsten Fall verläuft der Sektor genau in der Falllinie und wird gegen das untere Ende hin immer enger, was charakteristisch ist für alpine Täler. Weil ein Trail nicht allzu steil werden darf – aus Sicherheitsgründen und vor allem um die Unterhaltskosten tief zu halten – führt er in diesem engen Korridor als Serie von Anliegern ins Tal. Zapfenzieher nennen wir Trailbauer diese Linienführung. Auch mein Auge lacht nicht, wenn ich so eine Strecke sehe.»

«Persönlich bin ich überzeugt, dass es die ungewöhnlichen, abwechslungsreiche Streckenabschnitte sind, im Wald, durch ein Tobel, über spezielle Felsformationen, an einem Aussichtspunkt vorbei, die den Bikern in Erinnerung bleiben und die sie motivieren, wieder zu kommen.»

«Aber weil wir Trailbauer auf Aufträge angewiesen sind und weil die Mountainbike-Infrastruktur generell erweitert werden soll, bauen wir das, was Auflagen zulassen. Wir versuchen das Bestmögliche aus den Vorgaben herauszuholen: meist ein Kompromiss aus diversen Ansprüchen von Land- und Alpwirtschaft sowie Einschränkungen seitens Wild- und Naturschutz.

Was Stefan nicht bewusst ist: Auch die perfekt ins Gelände integrierten Wanderwege sahen nicht immer so aus. Ein neu angelegter Fussweg sticht heraus, er ist noch nicht die feine braune Spur in der Wiese, vom Gegenhang aus kaum sichtbar. Erst mit den Jahren wächst er von beiden Seite her zu. Dasselbe passiert bei Biketrails. Natürlich müssen Anlieger immer wieder in Form gebraucht, Wellen und Sprünge wegen der hohen Frequenzen nachgeshapt werden. Noch sind die ältesten Flow Trails in den Alpen zu jung, um von der Natur in die Landschaft integriert worden zu sein. Aber wir würden staunen, wenn wir sehen könnten, wie ein Flow Trail in 20 Jahren aussieht. Trails mit einer vermurksten, unnatürlichen Linienführung, in einem engen Korridor mit zu viel Gefälle für nachhaltigen Bau sind wahrscheinlich auch nach 20 Jahren noch nicht ästhetisch.

Gibt es Flow Trails, die ich gelungen finde? Die gibt es. Der Runca Trail in Laax – einer der ältesten der Schweiz – oder der Upper Tschoy Ride im Brandnertal sind Beispiele für Strecken die das für Trailbau geeignete natürliche Gelände ausnutzen durften und deshalb ein abwechslungsreiches Fahrerlebnis bieten. Sehr gelungen finde ich auch den Fopettas Flow Trail in St. Moritz. Der ist nur sehr kurz, aber sehr schön in die Waldlandschaft gelegt.»

«Geben wir der Natur Zeit, sich ein wenig Boden zurückzuerobern, dann wird auch der eine oder andere Flow Trail auf der grünen Wiese oder im lichten Wald weniger dominant wirken.»