«Der Freipass für grossflächige Fahrverbote in Deutschland ist wohl vom Tisch»
Letzten Herbst tauchte ein Entwurf des neuen deutschen Waldgesetzes auf. Was hat es damit auf sich?
Auf einer Website der Forstwirtschaft ist der Referenten-Entwurf des neuen deutschen Waldgesetzes veröffentlicht worden, an dem das Landwirtschaftsministerium schon lange arbeitet. Der Entwurf wäre nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Wir wissen inzwischen, dass das Papier echt war, also den damaligen Stand der Arbeit am neuen Gesetz darstellte.
In der Mountainbike-Community herrschte daraufhin grosse Aufregung. Was stand so Schlimmes darin?
Ein Artikel betrifft direkt das Betretungsrecht der Mountainbiker im Wald. Die Bundesländer hätten mit diesem Entwurf das Recht erhalten, frei und ohne Begründung das Radfahren auf nur noch dafür ausgewiesene Wege zu beschränken, also grossflächige Fahrverbote zu verhängen.
Aber einige Bundesländer sind ja jetzt schon sehr restriktiv. Inwiefern ist dieser Vorschlag schlechter?
Im aktuellen Waldgesetz steht: Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können aus wichtigen Gründen Verbote erlassen. Im Entwurf fehlt die Pflicht, ein Verbot zu begründen. Sie könnten sogar auf breiten Forstwegen Fahrverbote erlassen. Das war wohl nie so gemeint. Dass wir auf Forststrassen fahren dürfen, ist wohl unbestritten.
Ein weiterer Artikel gibt zu reden: Er wird «Komoot-Paragraf» genannt.
Dieser Paragraf verbietet es, digital Wege zu kartieren, wo keine Wege sind. Dahinter steckt aber auch ein Unverständnis der Gesetzgeber und Waldbesitzer, wie Karten wie die Open Street Map [auf der auch die Ride Trailmap basiert, Red.] zustande kommen. Die Mapper kartieren ja einfach, was sie sehen. Ist ein Weg offensichtlich vorhanden, zeichnen sie den ein. Wir verstehen, wenn Waldbesitzer das nicht gut finden, vor allem wenn da ursprünglich kein Weg war. Aber wenn ein Weg vorhanden ist, dann sollte es auch kein Problem darstellen, wenn dieser kartiert wird. Das Problem muss in der Praxis gelöst werden, nicht in der digitalen Welt.
Trotzdem hat die DIMB auch diesen Artikel kritisiert.
Wir wollen nicht, dass jemand unwissentlich eine Ordnungswidrigkeit begeht, nur weil er einem Weg folgt und dabei sein Strava-Profil öffentlich gestellt hat. Das könnte vor allem auch Orientierungsläufer oder Pilzsammler betreffen, die querfeldein gehen. Der Artikel ist zu weitreichend formuliert.
Was haben die DIMB und andere MTB-Organisationen seither unternommen?
Wir haben uns mit anderen Verbänden abgesprochen, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, dem Deutschen Alpenverein, dem Bund Deutscher Radfahrer und weiteren Sportverbänden. Zusammen haben wir unsere Bedenken dem zuständigen Ministerium übermittelt und hoffen dort auf Verständnis zu stossen. Der Zweirad-Industrie-Verband hat einen parlamentarischen Abend organisiert, an dem wir dabei waren. Da gab es Gespräche mit Politikern, denen wir unsere Position erklären konnten.
Was habt ihr erreicht?
Wir wissen aktuell nicht, was im nächsten Entwurf steht, der im Rahmen der anstehenden Länder- und Verbändeanhörung zur Stellungnahme an die Verbände gehen wird – also auch an uns. Aber es ist mittlerweile öffentliches Wissen, dass er deutlich schlanker sein wird, weniger detailliert und auch weniger starre Regeln enthalten wird.
Der Freipass für die Bundesländer, Verbote zu verhängen, ist vom Tisch?
Wir haben Informationen, dass diese Regel so nicht mehr drinsteht. Allerdings könnte stattdessen die Definition eines Weges aufgenommen werden. Damit hätten wir nichts gewonnen.
Wieso nicht?
Sie ist in der Praxis nicht umsetzbar. Wege im Wald sind so unterschiedlich, dass die Auslegung von Wegekriterien mehr Fragen aufwirft, als sie die Situation befriedet. Wir möchten, dass ein Weg das ist, was die Bevölkerung unter einem Weg versteht. Wege, die ich zu Fuss gehe, möchte ich auch mit dem Rad befahren dürfen. Entscheidend ist dabei doch das Verhalten der Nutzer. Tauchen lokal Probleme auf, kann man über Lenkungsmasssnahmen nachdenken. Das Problem ist sowieso nicht, auf welchen Wegen Mountainbiker fahren.
Sondern?
Der eigenmächtige Wegebau ist der Kern des Problems. Und hier hat eine Sensibilisierung eingesetzt. Viele Mountainbiker sind sich bewusst, dass das einfach nicht geht. Der eigenmächtige Trailbau hat sich aber auch beruhigt, das Thema ist nicht mehr so heiss wie während Corona. Wir betreuen eine Vielzahl von Trailbauprojekten und haben damit gute Erfahrungen gesammelt.
Was ist aus dem Komoot-Paragrafen geworden?
Auch dazu haben Treffen stattgefunden. Vertreter der Open-Streetmap-Community und der Navigationsapp-Anbieter haben mit dem Ministerium gesprochen und den Zuständigen erklärt, wie die digitalen Karten funktionieren. Auch Waldbesitzer oder Behörden können sich einen Account einrichten und eingetragene Wege, die erst kurz davor angelegt worden sind, löschen. Ein Konflikt besteht allerdings weiter zwischen den Behörden, die aus offiziellen topographischen Karten vorhandene historische Wege löschen, weil sie nicht wollen, dass diese weiter benutzt werden. Solche alten Wege sind im Übrigen auch oft Grundlage für angeblich eigenmächtige Trails. Die Mountainbiker haben sie bloss wiederentdeckt.
Wie geht es mit dem Waldgesetz denn nun weiter?
Im Mai sollte der offizielle Entwurf den Verbänden vorgelegt werden, also möglicherweise noch bevor dieses Interview erscheint. Dann können diese Stellung nehmen. Danach gibt es in der Regel drei Lesungen im Bundestag, in dem die Parlamentsmitglieder das Gesetz anpassen, bevor sie schliesslich darüber abstimmen und es annehmen oder ablehnen.
Wann soll es denn in Kraft treten?
Sobald der Bundestag das Gesetz angenommen hat, tritt es in Kraft. Das kann aber noch lange dauern und es ist möglich, dass dies in der laufenden Legislatur nicht mehr passiert. 2025 wählt Deutschland ein neues Parlament und eine neue Regierung. Besonders die Waldbesitzer scheinen darauf hinzuarbeiten, dass erst eine neue Regierung die finale Fassung des Gesetzes erarbeitet.
Die Waldeigentümer bekämpfen das Gesetz auch?
Oh ja, sehr viel lautstärker als wir. Ihre Argumente können alle in der Presse nachgelesen werden. Es geht dabei vor allem um die Fragen zwischen Naturschutz und Waldbewirtschaftung.
Ist eigentlich bekannt, wer den Entwurf geleakt hat?
Uns sind die Personen nicht bekannt, aber es ist klar, dass der Referenten-Entwurf aus dem Landwirtschaftsministerium kam und auf einer Website der Forstwirtschaft öffentlich gemacht wurde. So etwas geschieht wohl kaum zufällig. Aber in diese Art des politischen Handelns lassen wir uns als DIMB nicht verwickeln.
Heiko Mittelstädt ist Fachreferent der Deutschen Initiataive Mountainbike DIMB für Themen wie Betretungsrecht, Naturschutz, Tourismus, Wegekonzepte, Planung, Bau & Unterhalt von MTB-Strecken und für das Bundesland Baden-Württemberg sowie für die Regionen Südhessen und die Pfalz.